Es gibt Tiere, die ihre Jungen, Partner, Geschwister, Mütter oder sogar sich selbst fressen. Schau dir an, welcher Kannibale in der Natur auf diese extreme Überlebensstrategie zurückgreift und was hinter Kannibalismus im Tierreich steckt.
Kannibalismus im Tierreich: Es geht ums nackte Überleben
Manche Tierarten verspeisen ihre Artgenossen systematisch, etwa nach der Paarung oder nach der Geburt. Diese außergewöhnliche Überlebensstrategie ist Teil ihres Lebenszyklus. Andere Tiere werden jedoch nur zu Kannibalen, wenn äußere Umstände sie dazu zwingen. Ein Mangel an Nahrung treibt einige von ihnen sogar so weit, dass sie damit beginnen ihre eigenen Körperteile zu fressen, nur um langfristig überleben zu können. Ob das nicht vielleicht auch schiefgehen kann?
„Noch vor 20 Jahren galt Kannibalismus als sonderbares Ereignis im Tierreich. Inzwischen haben zahlreiche Forscher entdeckt, dass er recht häufig vorkommt.“ - Bill Schutt, Zoologe an der Long Island University in New York
Manche Tiere lassen sich sogar scharfe Zähne wachsen, nur um Ihresgleichen zu fressen. Normalerweise wären sie nämlich „Vegetarier“ und gar nicht in der Lage Jagd auf tierische Beute zu machen. Ist die Nahrung jedoch knapp, muss improvisiert werden. Die Natur hat also so manches „skurriles“ Ass im Ärmel. Mahlzeit!
Sexueller Kannibalismus: Schwarze Witwe & Rotrückenspinne
Beginnen wir mit einem Klassiker aus der Kategorie des „Sexuellen Kannibalismus“. Der Begriff der „Schwarzen Witwe“ hat sich sogar unter uns Menschen etabliert. Gemeint sind Frauen, die ihre Partner aus perfiden Motiven töten. Berühmt ist zum Beispiel der Fall von Patricia Dagorn, die sich gezielt wohlhabende Liebhaber suchte und sie vergiftete, um an ihr Vermögen zu kommen. Die Medien nannten sie nur „die Schwarze Witwe“. Doch nun zurück ins Tierreich!
Die Schwarze Witwe, die Rotrückenspinne und sogar die einheimische Kreuzspinne sind dafür bekannt ihre Partner zu verspeisen. Tatsächlich sind viele Spinn(innen?) sexuelle Kannibalen und haben ihre Liebhaber buchstäblich „zum Fressen gern“. Für dieses Verhalten gibt es mehrere Gründe.
In vielen Fällen werden die Männchen während oder nach der Paarung gefressen, damit die Weibchen mit ausreichend Nahrung versorgt sind. Gleichzeitig bewirkt dieses Verhalten auch, dass der Geschlechtsakt möglichst kurz bleibt. Auf diese Weise kann sich das Weibchen noch mit anderen Männchen paaren, was für einen größeren Genpool sorgt. Wissenschaftler stellten fest, dass die Gelege von Partner-fressenden Spinnen-Weibchen größer sind als die von nicht-kannibalistisch lebenden Spinnen.
Der Fortpflanzungsakt der Australischen Rotrückenspinne ist sogar besonders akrobatisch. Dort gehört das Verspeisen der Männchen fest zur „Performance“ dazu. Die männliche Spinne macht während der Paarung einen Salto und landet direkt in den Mundwerkzeugen seiner Liebhaberin. Während er gefressen wird, gibt er sein Sperma an das Weibchen ab.
In seltenen Fällen werden jedoch auch Weibchen beobachtet, die die Spinnen-Männchen noch vor der eigentlichen Paarung fressen, weil sie entweder einfach Hunger haben oder sogar die Paarung verhindern wollen.
Es gibt auch Männchen, die die erste Paarung überleben. Doch ihr starker Fortpflanzungswille (was für eine schöne Umschreibung für „Notgeilheit“) zwingt sie dazu, sich noch mit einer zweiten Dame zu paaren. Diese Entscheidung bezahlen die männlichen Spinnen jedoch meistens mit ihrem Leben.
Kindermörder: Präriehund & Komodowaran
Die Schwarzschwanz-Präriehunde sind kannibalistische Kindermörder. Alle Weibchen paaren sich, doch nur wenige haben Junge. Bei den Utah-Präriehunden ist dies ebenfalls der Fall.
Viele Präriehund-Weibchen gehen in die Bauten ihrer engsten Verwandten, um deren Nachwuchs zu töten und zu fressen. Der Wettbewerb zwischen diesen kleinen Nagern aus der Gattung der Hörnchen scheint so enorm zu sein, dass sie zu Kannibalen unter Verwandten werden, um die Überlebenschancen ihrer eigenen Jungen zu erhöhen.
Es gibt jedoch auch weitere Kindermörder im Tierreich. Wölfe und Komodowarane sind ebenfalls dafür bekannt Jungtiere zu fressen, wenn der Hunger zu groß wird oder das eigene Überleben bzw. das der ganzen Gruppe gefährdet ist.
Geschwisterrivalität: Der Sandtigerhai
Bei den Sandtigerhaien passiert etwas wirklich Erstaunliches. Trächtige Weibchen bilden bis zu sieben Embryonen aus, die in ihnen heranwachsen. Sandtigerhai-Weibchen besitzen paarige Eierstöcke und zwei Gebärmuttersäcke. Am Ende wird jedoch nur ein neuer „Babyhai“ aus jedem Gebärmuttersack geboren.
Die beiden ältesten Haie töten und fressen ihre Geschwister also noch im Mutterleib. Dafür besitzen die Junghaie bereits als Embryonen gut ausgebildete Zähne. Nachdem sie ihren eigenen Dottersack, der als Nahrungsreserve dient, verspeist haben, machen sie sich an den anderen Nachwuchs ran. Das ist wirklich mal eine extreme „Geschwisterrivalität“.
Maskuliner Konkurrenz-Kannibalismus: Löwe & Bär
Hier haben wir einen Fall von echter männlicher Dominanz. Wenn Löwen-Männchen eine fremde Gruppe übernehmen, töten sie die Jungtiere des vorherigen „Chefs“ und fressen diese in der Regel. Dadurch werden die ab sofort kinderlosen Weibchen schneller wieder paarungsbereit. Das neue Alphamännchen kann dementsprechend zügig seine eigenen Gene weitergeben. Dieser Kannibalismus dient also dazu die eigene Stellung zu verbessern. Bei Bären tritt dieses Verhalten ebenfalls regelmäßig auf.
„Ödipus“-Kannibalismus: Kellerspinne
Diese Spinne schauen wir uns noch einmal gesondert an. Es heißt ja, eine Mutter würde alles für ihre Kinder tun. Die Kellerspinne geht dabei jedoch ziemlich weit. Nach der ersten Häutung ihrer Kinder, sind diese so hungrig, dass die Mutterspinne nur noch eine Option sieht. Sie ruft ihren Nachwuchs zu sich, indem sie auf das Spinnennetz klopft. Die Jungspinnen kommen daraufhin zu ihr und fressen sie bei lebendigem Leib auf.
Clankrieg-Kannibalismus: Schimpansen
Die berühmte britische Verhaltensforscherin Jane Goodall war die erste, die dokumentierte, wie Schimpansenweibchen schwächere Schimpansenmütter angreifen, ihre Kinder rauben und am Ende fressen. Es passiert sogar, dass ganze Gruppen von Schimpansen an den Grenzen ihrer Territorien patrouillieren und dabei gut organisiert systematisch benachbarte Gruppen angreifen und auch Individuen fressen. Dieses Verhalten dient weniger der Nahrungssuche, sondern vielmehr dem Vernichten von Feinden. Die koordinierten Angriffe können sogar kriegsähnliche Züge annehmen.
Business as usual: Kobra & Klapperschlange
Während sich Kannibalismus häufig auf bestimmte Situationen wie Paarung oder Hungersnöte reduziert, gibt es jedoch auch Tiere, die gewohntermaßen Jagd auf Artgenossen machen. Viele Schlangenarten sind dafür bekannt andere Schlangen zu fressen, die ganz natürlicherweise zu ihrem Beuteschema gehören.
Strumpfband- und Königsnattern jagen auch andere Schlangen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Klapperschlangen fressen außerdem ihren toten Nachwuchs, um Nährstoffe zurückzugewinnen.
Die „New York Times“ schrieb in einem Artikel von 1901, dass eine weibliche Kobra im Bronx Zoo eine solche Vorliebe für Erdnattern hatte, dass es irgendwann keine Erdnattern im Park mehr gegeben hätte.
Ausnahme-Kannibalen: Kaulquappen & Tigersalamander
Es gibt auch Tierarten, die mehr oder weniger „unfreiwillig“ zu Kannibalen werden, wenn die äußeren Umstände es erfordern. Diese Tiere wären im Normalfall gar nicht in der Lage ihre Artgenossen zu fressen, weshalb sie sich körperlich an die neue Situation anpassen müssen.
Die Kaulquappen der Amerikanischen Schaufelfusskröte ernähren sich in der Regel von Plankton. Die Tümpel, in denen sie leben, können schnell austrocknen, sodass die kleinen Tierchen einen eher unkonventionellen Plan B haben. Bei vegetarischer Ernährung brauchen die Kaulquappen 30 Tage, um sich vollständig zu Kröten zu entwickeln. Wenn ihnen jedoch aufgrund von drohender Dürre die Zeit fehlt, entwickeln sie anstatt flacher Kauflächen plötzlich spitze Zähne und beginnen damit andere Kaulquappen zu fressen. Mit dieser Ernährungsweise benötigen die überlebenden Tiere nur 20 Tage, um zur Kröte heranzuwachsen.
Wenn der Lebensraum zu knapp wird, lassen sich auch einige im Wasser lebende Tigersalamander-Larven spitze Zähne wachsen, um ebenfalls ihre jungen Artgenossen zu fressen. Forscher beobachteten diese Entwicklung immer dann, wenn die Larven häufig aneinanderstießen. Mit anderen Worten: Wenn es im Wasser zu eng wurde.
Autokannibalismus: Python und Riemenfisch
Jeder ist sich selbst der Nächste. Deshalb gibt es Tiere, die sich (eher unfreiwillig) selbst fressen. Bei Schlangen, wie etwa Königsnattern oder Pythons, wurde bereits in mehreren Fällen beobachtet, wie sie damit begannen ihren eigenen Schwanz zu verschlucken, wodurch sie sich nach und nach selbst auffraßen.
Es wird vermutet, dass dafür eine „Überhitzung“ der Schlange verantwortlich ist. Dadurch verliere das Tier die Orientierung und bekäme großen Hunger. So könnte es passieren, dass eine Schlange irgendwann ihren eigenen Schwanz findet und diesen dann zu fressen beginnt.
Auch der seltsam anmutende Riemenfisch - ein schlangenartiger, bis zu acht Meter langer und senkrecht schwimmender Tiefseefisch – beißt sich im Zweifelsfall den eigenen Schwanz ab. Forscher vermuten an dieser Stelle einfach Hunger als Ursache. Als wäre dieser sonderbare Meeresbewohner nicht schon gruselig genug.
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Quellen bzw. weiterführende Links:
(1) Die Welt: „Wissenswert: Warum fressen manche Spinnenweibchen ihre Männchen?“ (2) Die Welt: „Schwarze Witwe: Kaum vertrauten ihr die Männer, ging es ihnen schlecht“
(4) National Geographic: „5 tierische Kannibalen“
(5) Tagesanzeiger: „Kannibalismus im Tierreich“
(6) Allianz Deutschland: „Bär frisst Bär: Kannibalismus im Tierreich“
(8) 20 Minuten: „Autokannibalismus: In der Not fressen Schlangen sich selbst“