Todeszonen in den Weltmeeren: Was steckt dahinter?
- Anastasia Michailova
- 12. Jan. 2023
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. März
In Todeszonen ist der Sauerstoffgehalt im Wasser so niedrig, dass dort kaum etwas überleben kann. Wie entstehen solche Unterwasserwüsten in unseren Meeren und Ozeanen? Gibt es Verbindungen zum Klimawandel? Und warum ist die Ostsee so stark betroffen? Dieser Beitrag beantwortet alle wichtigen Fragen!

Die Zahl der Todeszonen nimmt zu.
Ein Bericht der Vereinten Nationen (UN) sorgt für Aufsehen. In diesem heißt es, die Zahl der Todeszonen in den Weltmeeren sei stark gestiegen. Im Jahr 2008 waren es über 400 Todeszonen. 2019 sind es bereits rund 700. Im Rahmen des zweiten „World Ocean Assessment“ in New York, bei dem der Zustand der Meere diskutiert wird, schlug UN-Generalsekretär António Guterres Alarm.
Was sind Todeszonen und wie entstehen sie?
Es gibt sie im Golf von Mexiko, im Südchinesischen Meer, aber auch in der Nord- und Ostsee. Riesige marine Areale, die sich in Unterwasserwüsten verwandeln und in denen Leben kaum möglich ist. Warum ist das so? Die Antwort heißt Sauerstoffmangel.

Die Ursache für den Sauerstoffmangel sind starke Algenblüten, also eine große Anzahl dieser kleinen Lebewesen. Sterben die Algen ab, sinken sie langsam in die Tiefe. Dort werden sie von Bakterien abgebaut, die dabei Sauerstoff verbrauchen. Je mehr Algen „verwertet“ werden müssen, desto weniger Sauerstoff bleibt in der umliegenden Unterwasserwelt übrig. Das Phänomen der Todeszonen tritt manchmal auf ganz natürliche Weise auf, wird aber vom Klimawandel buchstäblich angeheizt. Je wärmer das Wasser ist, desto besser können sich Algen vermehren.
„Der Klimawandel wird die Ausdehnung der Todeszonen vorantreiben und hat wahrscheinlich zur beobachteten Ausbreitung der Todeszonen in den letzten Jahrzehnten beigetragen.“ – Andrew Altieri (Smithsonian Tropical Research Institute, Panama) & Keryn Gedan (University of Maryland College Park)
Todeszonen: Ursache ist meistens der Mensch
Doch der Mensch leistet neben dem Klimawandel noch einen weiteren Beitrag zu diesem Thema: Nährstoffreiche Düngemittel gelangen durch intensive Landwirtschaft in verschiedenste Gewässer und begünstigen Algenblüten. Stickstoff und Phosphor, letzteres in Form von Phosphat, sind beliebte Bestandteile von Düngern. Selbst wenn diese Substanzen tief im Inland und weit entfernt von der Küste in Flüsse geleitet werden, gelangen früher oder später ins Meer.

Im April 2021 kam es in Chile zu einem Massensterben von Zuchtlachsen. Eine Algenblüte tötete über 4.200 Tonnen Fisch. Greenpeace machte die Umweltverschmutzung durch die Lachsfarmen selbst dafür verantwortlich. Futterreste und Lachs-Exkremente landen massenweise auf dem Meeresgrund und bieten wunderbaren Nährboden für Algen und Bakterien. Etwa 26 Prozent des weltweit in Umlauf gebrachten Lachses stammen aus chilenischen Aquakulturen.
„Es wird geschätzt, dass sich der menschengemachte Stickstoffeintrag an den Küsten in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts verdoppeln wird.“ – UN, World Ocean Assessment
Phosphor gelangt außerdem noch in Form von Munitionsresten aus den Weltkriegen in die Meere. Kleiner Exkurs: Es wird vermutet, dass noch 1,6 Millionen Tonnen Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee zu finden sind. Deshalb konnte zum Beispiel im Ostseewasser sogar TNT nachgewiesen werden. Eine Bergung? Möglich, aber sehr teuer. Der Umweltschaden? Gewaltig. Die Ostsee leidet ganz besonders unter verschiedenen Arten von Nährstoffeinträgen, vor allem durch Düngemittel und Abwässer. Hinzu kommt, dass das Binnenmeer vergleichsweise flach und fast eingeschlossen ist. Hier findet kaum Wasserzirkulation statt.

Todeszonen können „wandern“.
Diese sauerstoffarmen Unterwassergebiete sind keinesfalls starr und unbeweglich. Sie können sogar „wandern“. Die folgende Aufnahme stammt von der NASA und zeigt eine „mobile Todeszone“ im Atlantik. Die tödlichen Wassermassen drehen sich in sogenannten „mesoskaligen Wirbeln“ und legen, angetrieben durch die Erdrotation, pro Tag etwa 5 Kilometer zurück. Auf diese Weise durchstreifte die abgebildete Todeszone eine Strecke von mehr als 1.000 Kilometern.
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UN: Es gibt eine gute Nachricht
Die Vereinten Nationen betonten jedoch auch, dass es einige positive Entwicklungen gäbe. Einerseits nahm die Zahl der Schiffsunglücke auf den Weltmeeren in den vergangenen Jahren stark ab. Im Zeitraum von 2008 bis 2014 sind 120 Schiffe „verloren gegangen“. In den darauffolgenden fünf Jahren nur noch 88 Schiffe.
Außerdem gibt es Fortschritte bei der Entwicklung von schadstoffärmeren Schiffstreibstoffen. Es wird zunehmend eine Senkung der Luftverschmutzung durch Schiffsabgase beobachtet.
Todeszonen – ein Problem, das wir nur gemeinsam lösen können
Es gibt aber noch viel zu tun. Weitere Ansatzpunkte wären strengere Düngemittelverordnungen und Schadstoffkontrollen, sowie die aktive Förderung von ökologischer Landwirtschaft und anderen nachhaltigeren Alternativen. Außerdem müssen Munitionsaltlasten gehoben werden.

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Doch all diese Aufgaben brauchen Zeit, Wissen, finanzielle und technische Mittel, aber insbesondere die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Die Rettung der Meere ist keine Aufgabe, die einige wenige allein bewältigen können. Viele Probleme sind zu komplex und hängen noch mit ganz anderen Faktoren zusammen. Todeszonen sind ein Symptom mit zahlreichen Ursachen. Auch Guterres mahnt zur Zusammenarbeit.
„Der Bericht macht deutlich, dass der nachhaltige Schutz der Weltmeere davon abhängt, dass wir alle zusammenarbeiten, dazu gehört gemeinsame Forschung und das Teilen von Daten, Informationen und Technologien.“ – António Guterres
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Quellen bzw. weiterführende Links:
(2) Forschung & Lehre: „Umwelt - Der Mensch schafft Todeszonen im Meer“
(3) ESKP - Earth System Knowledge Patform: „Mobile Todeszonen im tropischen Atlantik unterwegs“
(4) n-tv: „Umweltverschmutzung durch Farmen - Algen verursachen Massensterben von Zuchtlachsen in Chile“