Mussten Ritter in Rüstung mit einem Kran auf ihr Pferd gehievt werden, weil sie einfach zu schwer und unbeweglich waren? Wie viel wog ein Kettenhemd oder ein Helm? Die Geschichte des Mittelalters steckt manchmal voller Widersprüche. Dieser Beitrag geht dem Gewicht der Ritterrüstungen auf die Spur und wiegt nach!

Kapitel in diesem Beitrag
Wie viel wog eine Ritterrüstung? – Die Standardausstattung
So schwer wie eine Feuerwehr-Ausrüstung heute
Wie unbeweglich waren Ritter in ihrer Rüstung wirklich?
Das Turnier – Rüstungen wie Käfige
Ritterrüstung – Auf Dauer zu schwer
Hitze – Ein unterschätztes Problem der Ritter
Der Mythos, dass Ritter so schwer gepanzert waren, dass sie mit einem „Kran“ auf ihre Pferde gesetzt werden mussten, hält sich so hartnäckig, dass er selbst unter Historikern kursiert. Tatsächlich ist diese Geschichte jedoch falsch. Ebenso der Gedanke, dass nur Männer eine Rüstung getragen haben. Doch wie schwer war eine Ritterrüstung wirklich? In der Praxis gab es da große Gewichtsspannen – je nach Epoche, der Art der Rüstung und zusätzlicher Bewaffnung. Aber einmal von vorne:
Wie viel wog eine Ritterrüstung? – Die Standardausstattung
Hinweis: Unterwäsche, eventuelles Gepäck, andere Waffen sowie Arm- und Beinschutz wurden nicht berücksichtigt. Bei den folgenden Zahlen handelt es sich um Durchschnittswerte, die durchaus variieren können:

Gewicht der Rüstung im Durchschnitt
Gambeson: 2 kg
Kettenhemd: 15 kg
Helm bzw. Kettenhaube: 2 – 4 kg (rund 3 kg)
Gesamt: 20 kg
*Gambeson = ein dickes Kleidungsstück aus Leinen, das mit Wolle oder anderen Stoffen ausgestopft war
Oder ab Ende des 14. Jahrhunderts:
Vollharnisch/Plattenpanzer inkl. Helm: Gesamt 20 – 30 kg
Gewicht der Waffen im Durchschnitt
Schwert: 1 – 3 kg (rund 2 kg)
Lanze / Speer: 1 – 3 kg (rund 2 kg)
Schild: 1 – 3 kg (rund 2 kg)
Gesamt: 6 kg
Waffen und Rüstungsteile wurden unterschiedlich kombiniert. In der Regel trug jeder Soldat unter seiner Rüstung ein Gambeson, um Stöße abzuschwächen. Im Frühmittelalter genügte darüber ein Kettenhemd und ein Helm bzw. eine Kettenhaube – eventuell anstelle des Kettenhemdes auch ein Lamellenpanzer oder Schuppenpanzer. Im Spätmittelalter wurde das Kettenhemd weitestgehend durch den Plattenharnisch ersetzt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Ritterrüstung ohne Waffen im Durchschnitt 20 bis 30 kg wog. In einigen Fällen ist von bis zu 40 kg die Rede.

So schwer wie eine Feuerwehr-Ausrüstung heute
Das Gesamtgewicht einer Ritterrüstung ist damit also nicht schwerer als die eines modernen Feuerwehrmannes mit Sauerstoffflasche. Die Feuerwehr-Ausrüstung wiegt zwischen 25 und 45 kg. Trotzdem sollte man dieses Gewicht nicht unterschätzen. So viel zusätzliche Belastung führt zu einer flacheren, schnelleren Atmung, einer extremen Kreislaufbelastung und damit zu einer deutlich früher eintretenden Erschöpfung. Messungen haben ergeben, dass sich der Sauerstoffverbrauch und Energiebedarf eines Menschen in Rüstung mindestens verdoppelt. Für dieses Experiment wurden Männer in voller Rüstung aufs Laufband gestellt - eine amüsante Vorstellung. Versuchsleiter war Dr. Graham Askew von der University of Leeds - Professor für Biomechanik.
Eine gutsitzende Rüstung verteilt ihr Gewicht auf den ganzen Körper. Erst im 17. Jahrhundert (Frühe Neuzeit) wurde die Materialstärke und damit das Gewicht bestimmter Rüstungsteile erhöht, um den Feuerwaffen zu trotzen. Gleichzeitig wurde eine Ganzkörper-Panzerung immer seltener. Man fokussierte sich beim Schutz nur noch auf die wichtigsten Körperstellen – vorwiegend Kopf, Rumpf und Hände.
Wie unbeweglich waren Ritter in ihrer Rüstung wirklich?
Anders gefragt: Was bringt es einem Ritter, wenn er zwar „gut gesichert“ ist, aber nicht kämpfen kann, weil ihn seine Rüstung zu sehr einschränkt? Es gibt auch immer wieder Geschichten, dass Ritter, die einmal in Rüstung hinfielen, nicht wieder aufstehen konnten – im Grunde ein Todesurteil auf dem Schlachtfeld. Aber stimmt das?

Während man sich bei einem Kettenhemd noch vorstellen kann, dass es vergleichsweise viel Bewegungsfreiheit bietet, hört es bei den Plattenpanzern bzw. Plattenharnischen des ausgehenden 14. bis 17. Jahrhunderts anders aus. In dieser Zeit wurde sogar so manches Pferd gepanzert („Rossharnisch“ - wog in etwa so viel, wie ein Ritter-Harnisch: 20 bis 30 kg). Manche Helme („Schaller“) hatten nichts weiter als einen winzigen Schlitz zum Durchgucken. Wie kann man darin kämpfen?
Tatsächlich ist so ein Plattenpanzer gar nicht so unbeweglich und steif, wie er aussieht. Er besteht nämlich aus einem Geschirr von Eisenplatten, deren einzelne Elemente frei beweglich sind und durch flexible Nieten oder Lederriemen zusammengehalten werden. Grundsätzlich war trotz Plattenrüstung jede normale Bewegung möglich.
Mittelalterliche Illustrationen veranschaulichen, wie Ritter und Knappen in voller Rüstung ohne fremde Hilfe auf ihre Pferde steigen. Moderne Experimente haben gezeigt, dass sogar ein ungeübter Mann in Plattenrüstung wieder aufstehen kann, wenn er hinfällt. Abwechselndes Laufen, Sitzen und Liegen sind motorisch kein Problem.
Der bis heute erhaltene Ganzkörper-Harnisch von König Heinrich dem VIII. ist so beweglich, dass selbst die NASA diese Rüstung in den 60ern studierte, um Ideen für die Entwicklung ihrer Weltraumanzüge zu bekommen. Die aktuellen Space Suits wiegen mit Helm und Handschuhen stolze 127 Kilogramm. In der Schwerelosigkeit des Weltalls spüren die Astronauten dieses enorme Gewicht natürlich nicht. (Zum Glück!)

Das Turnier – Rüstungen wie Käfige
Es gibt allerdings Ausnahmen, was die freie Beweglichkeit angeht. Turnier-Rüstungen wurden für diesen einen ganz bestimmten Zweck konstruiert und sollten nur für absehbare Zeit getragen werden – Gesamtgewicht und Bewegungsfreiheit irrelevant. Hier ging es nicht darum, flexibel auf dem Schlachtfeld zu kämpfen, sondern im Sattel zu bleiben und die Lanze aufrecht zu halten. Deshalb kam es vor, dass die letzten Teile der Turnier-Rüstung erst angelegt wurden, nachdem der Teilnehmer bereits auf seinem Pferd saß. Anders hätte er nicht auf sein Pferd steigen können.
Ritterrüstung – Auf Dauer zu schwer
Doch selbst wenn die Rüstungen ziemlich beweglich waren, schränkte das zusätzliche Gewicht auf Dauer sehr ein. Eine flachere und schnellere Atmung bzw. ein erhöhter Energie- und Sauerstoffbedarf führen zu einer rascheren Ermüdung. In manchen Schlachten war es tatsächlich ein Vorteil, eine leichtere Rüstung zu tragen.
Bei der Schlacht von Azincourt im Jahr 1415 erlitt das zahlenmäßig weit überlegene französische Heer eine vernichtende Niederlage gegen die Engländer. Der Grund: Die Franzosen waren schwer gepanzert – der Untergrund war matschig und uneben. Die leichter ausgestatteten englischen Krieger hatten einen klaren Vorteil, weil sie sich im Gelände viel besser bewegen konnten. Die schwerfälligen und erschöpften französischen Kämpfer waren in dieser Situation ein leichtes Ziel.
Hitze – Ein unterschätztes Problem der Ritter
Viel gefährlicher als das Gesamtgewicht der Rüstungen, war die Hitzeentwicklung. Metall kann in der Sonne glühend heiß werden. Bei viel Bewegung und hohen Temperaturen kommt es im Inneren schnell zu Hitzestau. In Kombination mit starker Luftfeuchtigkeit ist das für den Kreislauf kaum noch zu ertragen.
Das Fazit: Die Ritter im Mittelalter hatten also in der Tat ein schweres Los. Ihr „Heavy Metal“ sollte sie schützen, konnte auf Dauer aber sehr einschränken, wie moderne Experimente gezeigt haben. Trotzdem wog eine Ritterrüstung nicht mehr, als eine heutige Feuerwehr-Ausstattung. Eigentlich kaum zu glauben.
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Quellen bzw. weiterführende Links:
(1) Metropolitan Museum of Art: „Arms and Armor - Common Misconceptions and Frequently Asked Questions“
(2) wissenschaft.de: „Das schwere Los der Ritter“
(3) Live Science: „Heavy Metal: Armor Drained Medieval Knights' Energy“
(4) World History Encyclopedia: „The Armour of an English Medieval Knight“