Walsturz, Walfall oder Whale Fall (engl.) beschreibt ein Meeresphänomen, ohne das Leben in der Tiefsee wohl kaum möglich wäre: den Tod eines riesigen Wals und sein langsames Absinken auf den Meeresgrund. Was genau passiert dort mit dem tonnenschweren Kadaver? Forscher haben diesen sonderbaren Prozess, der mehrere Jahrzehnte dauert, beobachtet.
Was passiert, wenn ein Wal stirbt?
Es gibt Phänomene in der Natur, die wir Menschen kaum zu Gesicht bekommen und die dennoch unbeschreiblich wichtig für ganze Ökosysteme sind. Ein solches Phänomen ist zum Beispiel der „Walsturz“. Wenn ein Wal im offenen Meer stirbt und die Fäulnisgase in seinem Inneren entwichen sind, sinkt sein toter Körper langsam hinab bis er schließlich auf dem Meeresgrund aufkommt – in einer Tiefe von mindestens 1.000 Metern. Man könnte meinen, dort sei seine Reise zu Ende. Doch es ist erst der Anfang von etwas ganz Großem!
Wusstest du? Der größte Wal der Welt ist der Blauwal mit einer Länge von bis zu 33 Metern und einem Gewicht von bis zu 200 Tonnen. Damit ist er gleichzeitig auch das größte lebende Tier der Erde.
In der Dunkelheit der Tiefsee bleibt der Walkadaver nicht lange allein. Denn schon nach kurzer Zeit sammeln sich alle möglichen Meeresbewohner am Ort des Geschehens. Große und kleine Fische (darunter sogar Haie), Oktopusse, Krabben, Schnecken, Würmer und Riesenasseln – alle kommen zu diesem tonnenschweren Berg Fleisch und beginnen ihn zu fressen.
Walkadaver bilden eine wichtige Nahrungsgrundlage in der Tiefsee
Ein einziger toter Wal wird etliche Lebewesen für Jahrzehnte ernähren. Ein Walsturz ist zwar selten, aber bildet eine wichtige Nahrungsgrundlage bzw. ein ganzes Nahrungsnetz für die Bewohner der dunklen Tiefen. Denn die Tiefsee ist eigentlich ein sehr nährstoffarmer Ort und damit abhängig von organischen „Abfällen“, die von weiter oben auf den Meeresgrund sinken.
Dieser Partikelregen von der Oberfläche wird auch „Meeresschnee“ genannt. Denn das organische Material, das in die Tiefsee sinkt, sieht auf Bildern und in Videos aus wie ein Schneesturm mit dicken Schneeflocken. Am Meeresgrund sammeln sich die organischen Partikel und bilden in 1 Million Jahren eine etwa 6 Meter dicke Schlammschicht.
Walsturz: Die 4 verschiedenen Phasen
Von Walfall selbst, bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Kadaver keine Nährstoffe mehr liefert, vergehen mehrere Jahrzehnte. Hierbei gibt es verschiedene Phasen des Zerfalls, in denen unterschiedliche Prozesse stattfinden.
1. Phase: Große Aasfresser
Bei einem „frisch gesunkenen“ Walkadaver dauert es nur wenige Monate bis maximal 2 Jahre, bis das Weichgewebe von Haien und anderen größeren Tieren wie Aalen und auch Krabben gefressen wurde. Diese Aasfresser sind mobil und können weite Strecken zurücklegen, um zu ihrer Nahrungsquelle zu gelangen.
2. Phase: Kleine Aasfresser
Die letzten Fleischreste werden von „spezialisierten Verwertern“ wie kleinen Krabben, Schnecken und Würmern verzehrt. Die kleinen Tiere besiedeln jedoch nicht nur die Walknochen, sondern auch den Meeresgrund um den Kadaver herum. Denn der tote Wal reichert die Sedimente des Meeresbodens bis zu einer Entfernung von 10 Metern mit Nährstoffen an. Die Phase der kleinen Aasfresser dauert nicht länger als 4,5 Jahre – durchschnittlich 2 Jahre.
3. Phase: Bakterien
Die allerletzten Fettreste an den Knochen des Wals werden von schwefeloxidierenden Bakterien verwertet. Diese Bakterien bilden wiederum eine Nahrungsgrundlage für andere Organismen, darunter Muscheln und Schnecken. Bis alle Fette der Walknochen verwertet worden sind, kann es bis zu 100 Jahren dauern.
4. Phase: Ein neues Zuhause
Doch auch das ist noch nicht das Ende. Denn das nackte Skelett des Wals wird außerdem zur willkommenen Siedlungsfläche für Oktopusse, Würmer und Schnecken. Die Knochen verwandeln sich in Riffe auf denen Seeanemonen und Korallen gedeihen – eine Oase inmitten einer dunklen Unterwasserwüste und ein hervorragendes Beispiel dafür, wie der Tod neues Leben hervorbringt.
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Quellen bzw. weiterführende Links:
(1) NOAA: „What is a whale fall?“
(2) National Geographic: „Walsturz: Das passiert mit Walen nach ihrem Tod“
(3) Oceanography and Marine Biology: „Ecology of Whale Falls at the Deep-Sea Floor“
(4) Scientific American: „Life at the Bottom: The Prolific Afterlife of Whales“
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