Wie gut schützten Ritterrüstung & Kettenhemd? | Antike bis spätes Mittelalter
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  • Anastasia Michailova

Wie gut schützten Ritterrüstung & Kettenhemd? | Antike bis spätes Mittelalter

Aktualisiert: 16. Feb.

Krieger und Ritter zahlreicher Epochen trugen Rüstungen – von der Antike über das Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit hinein. Das zusätzliche Metall schützte seinen Träger im Kampf. Aber nicht alle Rüstungen wurden aus Eisen oder Bronze angefertigt. Auch Leder und sogar Leinen sollten Schwertern, Speeren und Pfeilen standhalten. Was konnten die modernsten Waffen der damaligen Zeit gegen Kettenhemd, Plattenpanzer und Co. tatsächlich ausrichten? Forscher haben experimentiert.


Wie gut schützten Ritterrüstung, Kettenhemd und Leinenpanzer
Wie gut schützte eine Ritterrüstung?

Das Kettenhemd: Jahrhundertelang Standardausrüstung


Viele denken bei den Rittern des Mittelalters automatisch an das klassische Kettenhemd – auch Kettenrüstung, Kettenpanzer, Ringpanzer oder Ringpanzerhemd genannt. Es bestand aus zahlreichen miteinander verflochtenen kleinen Metallringen. Für mehr Robustheit wurden die Ringe im Laufe der Zeit sogar miteinander vernietet oder verschweißt.



Kurze Fakten zum Kettenhemd


  • wog ungefähr 15 kg

  • bestand aus rund 25.000 einzelnen Ringen

  • die Anfertigung dauerte ca. 1.000 Stunden (8 h/Tag = 6 Monate)


*Angaben schwanken je nach Ausstattung und Körpergröße


Unter dem Kettenhemd wurde häufig ein gepolstertes Unterkleid - das Gambeson - getragen, um Hiebe, Stöße und Stiche besser abzuwehren. Manchmal wurden die Eisenringe auch direkt auf ein Untergewand aus Stoff bzw. Leder angebracht. Die frühesten Hinweise für Ringpanzer lassen sich in Keltengräbern des 8. Jahrhunderts v. Chr. finden. Wahrscheinlich haben sich die Römer diese Rüstungsart von ihren nördlichen Nachbarn im 3. Jahrhundert v. Chr. abgeschaut. Doch wie gut konnte ein Kettenhemd wirklich schützen?


Gambeson, Kettenhemd, Helm, Ritter, Krieger
Gambeson, Kettenhemd und Helm - Für Jahrhunderte die Standard-Ausrüstung eines Ritters bzw. Kriegers. Bild: Silar (CC)

Experimente mit Dummies und Gelatineblöcken haben gezeigt, dass ein gut verarbeitetes Kettenhemd Schwert- und Axthieben problemlos standhalten kann. Pfeile und sogar die Bolzen einer Armbrust mit 200 kg Zuggewicht können die Rüstung nicht durchbrechen. Doch selbst, wenn der Kettenpanzer intakt bleibt und der Krieger ein Gambeson darunter trägt, kann er dennoch Hämatome und Rippenbrüche davontragen. Dies ist auch heute bei Schuss-sicheren Westen der Fall.



Plattenpanzer und Ganzkörper-Harnische: Als die Feuerwaffen kamen


Doch als im 14. Jahrhundert mit der Entwicklung des Schwarzpulvers auch Feuerwaffen aufkamen, hatte das Kettenhemd bald ausgedient. Es folgten Plattenpanzer bzw. Plattenharnische. Diese sollten Hieben und Stichen im Nahkampf, aber auch Feuerwaffen aus der Distanz standhalten. Ein klassischer Plattenharnisch bestand auch Eisenplatten, die durch Lederriemen oder bewegliche Nieten miteinander verbunden waren. Die Materialdicke betrug 1 bis 1,5 mm und die vollständige Rüstung wog zwischen 20 und 30 kg.


Plattenrüstung im Nahkampf – Gegen Schwert, Lanze, Mordaxt und Kriegshammer


Experimente zeigten, dass qualitative Plattenharnische für jede Art von Hieb- und Stichwaffen buchstäblich undurchdringbar waren. Es gab dennoch Möglichkeiten einen vollgepanzerten Ritter im Harnisch aus der Nähe zu verletzen:



  • Schwachstellen der Rüstung attackieren: z. B. unter den Armen oder zwischen den Beinen.

  • Sehr viel Wucht - Mordaxt bzw. Kriegshammer: enorme stumpfe Gewalteinwirkung erzeugen, die zu Gehirnerschütterung, inneren Blutungen und Knochenbrüchen führt, ohne die Rüstung selbst durchbrechen zu müssen.


Ritter und Pferde in Harnischen - Metropolitan Museum of Art, New York City
Ritter und Pferde in Harnischen - Metropolitan Museum of Art, NYC. Bild: Brad/Flickr (CC)

Plattenrüstung aus der Distanz – Gegen Donnerbüchse und Arkebuse


Zu den ersten Feuerwaffen ab dem 14. Jahrhundert gehörte das Handrohr – auch Handbüchse, Donnerbüchse oder Feuerlanze genannt. Hierbei handelte es sich um bis zu 60 cm lange Bronze- bzw. Eisenrohre, die zur besseren Handhabung auf Holzstangen montiert wurden. Sie waren Vorderlader und zündeten mithilfe einer Lunte.



Das „Nachfolgemodell“ war die Arkebuse oder Hakenbüchse, die zwar umgänglicher war, aber immer noch durch eine brennende Lunte auslöste. Zwei Jahrhunderte später brauchte man keine Feuerquelle mehr mit sich herumschleppen, sondern zündete mit einem Steinschloss – einem eingespannten Feuerstein, der auf eine Metallkappe schlug und einen Funken entfachte. Das führte Ende des 16. Jahrhunderts zur Entwicklung der Musketen mit noch mehr Durchschlagskraft und Reichweite.


Stangenbüchse mit hölzerner Stützgabel - Bellifortis-Handschrift von Konrad Kyeser (um 1400)
Stangenbüchse mit hölzerner Stützgabel - Bellifortis-Handschrift von Konrad Kyeser (um 1400). Bild: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (CC)

Bereits das Handrohr konnte eine Ritterrüstung aus einer Entfernung von bis 100 Metern durchschlagen. Pro Minute ließ sich damit etwa ein Schuss abgeben. Geladen wurde das Handrohr vornehmlich mit Bleikugeln des Kalibers 35 mm. Und so geschah es, dass irgendwann nur noch der Rumpf mit Eisen gepanzert wurde und eine Rüstung letztendlich nicht mehr sinnvoll erschien. Kein Material war den Feuerwaffen gewachsen und es fand kaum noch Nahkampf statt. Es war das Ende der Männer im „Heavy Metal“ bzw. das Ende der Ritter, wie wir sie aus dem Mittelalter kennen.



Fun-Fact!


In China benutzte man die Donnerbüchsen noch bis ins 19. Jahrhundert hinein. In den USA wurde noch im Jahr 1861 die Muskete „U.S. Percussion Rufle-Musket“ mit Bajonette auf den Markt gebracht – bis heute eines der meistproduzierten Militärgewehre der USA.



Alexander der Große: Leichte Rüstung aus Leinen – geht das?


Gehen wir zum Schluss noch einmal in das 4. Jahrhundert vor Christus. Alexander der Große trug – wie unter Makedonen, Griechen und auch später den Römern üblich – eine Rüstung aus Leinen und Flachs. Ohne eine einzige Metallplatte war dieser „Stoff-Panzer“ so sicher, wie eine Schuss-sichere Weste heute. Aber wie funktionierte das?


Leider hat keine Leinenrüstung die Zeit überdauert. Sie ist jedoch durch mehrere antike Quellen belegt. Forscher der University of Wisconsin - Green Bay haben den sogenannten „Linothorax“ in einem Projekt nachgebaut und auf seine Widerstandsfähigkeit getestet.


Mosaik (um 100 v. Chr.) aus Pompeji zeigt Alexander den Großen in Leinenrüstung, Museo Archeologico Nazionale di Napoli
Mosaik (um 100 v. Chr.) aus Pompeji zeigt Alexander den Großen in Leinenrüstung, Museo Archeologico Nazionale di Napoli. Bild: Berthold Werner (CC)

„Um was für eine mysteriöse Rüstung es sich beim Linothorax genau gehandelt hat, wissen wir leider nicht. Leinen verrottet ja leicht, und so hat kein Exemplar bis in unsere Zeit überlebt. Wir kennen aus antiken Texten derzeit 25 Beschreibungen von 17 verschiedenen Autoren.“ - Gregory Aldrete, University of Wisconsin - Green Bay


Der Leinenpanzer bestand aus unzähligen Schichten Leinenstoff, die eventuell mithilfe eines auf Flachs basierenden Klebers zusammengehalten wurden. Tests haben gezeigt, dass der Linothorax damit gegen Pfeile, Schwerter, Speere und sogar Äxte schützte.


„Die verklebten Leinenschichten funktionieren wie eine antike Version von Kevlar - dem Material, aus dem moderne Schuss-sichere Westen gemacht sind. Die Flexibilität des Materials verteilt die Kraft eines aufprallenden Pfeils. Schwerter oder Messer ritzten nur die obersten Schichten an. Wir vermuten aber doch, dass sie heftige blaue Flecken oder gebrochene Rippen verursacht haben.“ - Gregory Aldrete, University of Wisconsin - Green Bay


Neben den überschaubaren Produktionskosten, war vor allem das geringe Gewicht ein großer Vorteil der Leinenrüstung. Ein vergleichbarer Brustpanzer aus Bronze hätte rund dreimal so viel gewogen. Außerdem ist Leinenstoff atmungsaktiver. Im Sommer sind diese Textilien also deutlich angenehmer zu tragen als eine konventionelle Rüstung. Mit Bienenwachs, Pinienharz oder Schafsfett imprägniert, bekam der Linothorax zudem noch wasserfeste Eigenschaften. In der Praxis wurde die Leinenrüstung häufig mit Leder oder Metallschuppen bzw. Lamellen erweitert.



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